OT-Trainerin Julia Drücker: „Wir müssen auf unsere Regierung hören!“

24. März 2020

Julia Drücker ist Trainerin bei den Frauen von OT (Osterholz-Tenever) Bremen, leitet aber auch Spiele als Schiedsrichterin für den Bremer Fußball-Verband. Auch für die Unparteiischen in unserem Sport ist es derzeit eine absolut ungewöhnliche Situation. Drücker spricht über das Vertrauen in die Regierung, den Fitnesszustand ihrer Mädels sowie das derzeitige Schiedsrichterdasein. Es folgt Teil 3 einer Interviewreihe mit Trainern des Bremer Verbandsgebiets über die persönlichen und sportlichen Folgen der derzeitigen Pandemie.

Julia Drücker bei der Arbeit als Schiedsrichterin. (Foto: Sven Peter - spfoto.de)

Julia Drücker bei der Arbeit als Schiedsrichterin. (Foto: Sven Peter – spfoto.de)

Hallo, Julia. Wie ergeht es dir gerade in der derzeitigen Situation?

„Derzeit kann ich noch arbeiten gehen. Ich arbeite im Großhandel mit Deko-Artikeln. Laufkundschaft gibt es gerade natürlich nicht und die Ware an Baumärkte oder Läden ausliefern, können wir aktuell auch nicht. Wir müssen jetzt schauen, wie es sich entwickelt.“

Wie ist es zu deiner Trainerposition bei den OT-Mädels gekommen?

„Ich habe damals mit einer E-Junioren-Mannschaft angefangen. Nach meinem Abi habe ich dann ein Jahr Pause gemacht und wollte erst einmal Geld verdienen. In dieser Zeit wurde ich dann auch gefragt, ob ich im Verein helfen kann. Ich lernte schnell alle Trainerkolleginnen und Trainerkollegen kennen, so auch die damaligen Trainer unserer B-Juniorinnen. Als diese dann aufhörten, wurde mir diese Aufgabe angeboten. Das habe ich natürlich gerne gemacht und vor etwa vier Jahren begann damit mein Trainerjob bei den Mädels, die ich bis heute, mittlerweile natürlich als Frauenmannschaft, noch coache.“

Bist du selbst auch noch als Spielerin aktiv?

„Auf dem Papier bin ich das (lacht). Wenn Not an der Frau ist, dann spiele ich auch nochmal mit, aber das ist mittlerweile eher die Ausnahme. Diese Saison habe ich etwa dreimal mitgespielt.“

Wie habt ihr den ganzen Corona-Wahnsinn als Mannschaft erlebt?

„Das Thema war bei uns auch schon vor dem Entscheid, dass die Spiele ausfallen, recht groß. Bereits da haben wir darüber gesprochen, wie wir uns verhalten wollen und dass wir Köperkontakt erst einmal vermeiden wollen. Als wir dann erfahren haben, dass die Spiele ausfallen, hatten wir gerade Training. Eigentlich war das ganz gut, da die ganze Mannschaft zusammen war. Es war also ein guter Zeitpunkt, um den Mädels mitzuteilen, dass wir jetzt erst einmal nicht spielen können. Die Mädels haben natürlich Bock zu spielen, das ist ganz klar. Doch auch als Verein haben wir von Beginn an gut kommuniziert. Dort haben wir besprochen, dass solange die Spiele ausfallen, wir auch keinen Trainingsbetrieb stattfinden lassen werden.“

War und ist es die richtige Entscheidung, dass nicht nur im Fußball, sondern der Mensch generell eingeschränkt wird in nächster Zeit, um das Virus zu bekämpfen oder wird zu sehr eingegriffen von der Politik?

„Das ist ziemlich schwierig einzuschätzen. Natürlich haben wir ein Beispiel direkt vor unseren Augen und viele sagen auch: ‚Ihr müsst doch nur mal nach Italien schauen. Wenn nichts unternommen wird, dann wird dieser Zustand in drei Wochen auch bei uns aufzufinden sein.‘ Andererseits ist es einfach auch sehr schwierig, denn eine solche Extremsituation hatte noch niemand. Hätte die Politik nun frühzeitig Maßnahmen verhängt oder Verbote ausgesprochen und im Nachhinein wäre nichts passiert, dann hätte es wieder einen riesengroßen Aufschrei in der Bevölkerung gegeben. Ich denke, es gibt in dieser Situation nicht die eine richtige Entscheidung, die man treffen kann.“

Was denkst du, wie lange kann eine solche Kontaktsperre aufrecht gehalten werden, bevor die Bevölkerung sich wehrt?

„Ich finde, wir müssen jetzt einfach auf unsere Regierung hören. Je mehr Leute sich daran in der nächsten Zeit halten, desto eher kommen wir auch wieder in die Nähe unseres normalen Alltags. Jetzt muss man einfach versuchen, sich andere Hobbies zu suchen und sich einfach selbst beschäftigen. Von der Arbeit nach Hause zu kommen und nichts zu tun, wird wohl irgendwann nicht mehr ausreichen.“

Wie ist deine Einschätzung: Glaubst du es wird möglich sein, diese Saison zu beenden?

„Ich denke, dass im Amateurbereich noch Spiele stattfinden werden. Allerdings halte ich es für unrealistisch, dass wir die ganze Saison zu Ende spielen können. Der Zeitdruck wird wohl zu hoch sein und es müsste zweimal in der Woche gespielt werden. Gerade die unteren Ligen werden sich damit schwertun. Auch in meiner Mannschaft habe ich einige Schichtarbeiterinnen, angehende Abiturienten und Studierende und da wird es für innerwöchentliche Auswärtsfahrten nach Bremen-Nord oder Bremerhaven schwer, eine Truppe zusammen zu bekommen. Persönlich würde es mich natürlich freuen, wenn wir die Saison irgendwie noch durchbekämen. Aber jetzt muss es ganz ehrlich erst einmal darum gehen, die Ausbreitung des Virus einzudämmen.“

Ihr seid dicht hinter den Aufstiegsplätzen. Es besteht schon die Möglichkeit, dass diese Tabelle sich nicht mehr verändern wird. Wie würdest du und auch deine Mädels damit umgehen?

„Das ist etwas, worüber ich gerade überhaupt nicht nachdenke. Das ist absolut nebensächlich derzeit. Klar könnten wir in die Verbandsliga aufsteigen, aber ich denke in unserer Liga, der Landesliga, geht es jetzt noch nicht um so extrem viel. Von daher sehe ich es eigentlich ziemlich entspannt, wenn die Tabelle so bleiben sollte. Zudem gibt es in unserer Liga auf jeden Fall Konkurrenten, die tabellarisch am Enden noch vor uns sein dürften. Ich denke nicht, dass wir diejenigen sind, die jetzt noch die riesigen Chancen haben, aufzusteigen.“

Gibt es einen Plan für deine Mannschaft, sich fit zu halten?

„Die Mädels sind von sich aus schon sehr ehrgeizig und würden natürlich am liebsten direkt wieder ins normale Training einsteigen. Sie halten sich jetzt auch ohne Mannschaftstraining ganz gut fit. Als der Trainingsbetrieb offiziell eingestellt werden musste, haben mein Co-Trainer und ich bereits nach Trainingsalternativen gesucht. Es ist allerdings schwer, wenn die Mannschaft überhaupt nichts miteinander machen kann. Daher müssen wir den Mädels ein wenig vertrauen, dass sie alleine etwas machen. Wir stehen aber logischerweise auch für Fragen immer parat.“

Du bist ja nicht nur Trainerin, sondern auch als Schiedsrichterin unterwegs. Hast du mit deinen Schiedsrichterkollegen Kontakt? Wie geht ihr als Schiedsrichter damit um? Haltet ihr euch auch fit?

„Wir überlegen natürlich auch, wie es überhaupt weitergehen könnte. Auch für die Schiedsrichter ist es eine ungewohnte Situation und wir müssen uns auf diese Pause mitten in der Saison einstellen. Hier finde ich es tatsächlich noch schwieriger, da man immer damit rechnen muss, dass es in ein paar Wochen eventuell weitergeht. Da muss man gedanklich noch in der Saison drinbleiben. Es ist dann trotz langer Pause keine neue Saison, sondern es geht dann voraussichtlich mittendrin weiter. Man muss zudem natürlich irgendwie körperlich fit bleiben, aber auch gedanklich kann man jetzt nicht aufhören, über die Ligen im Bilde zu sein. Wer steht wo? Welche Spiele könnte man noch bekommen? Da kann man sich nicht ganz frei von machen.“

Danke, Julia!

[ddi]

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