FCO-Trainer Kristian Arambasic: „Der Staat muss konsequenter handeln“

17. März 2020

Das Coronavirus hat nicht nur den Fußball lahmgelegt, sondern womöglich bald auch eine ganze Gesellschaft. Für FC Oberneuland-Coach Kristian Arambasic kommen diese Einschränkungen zu spät. Er fordert mehr Konsequenz vom Staat. Aber natürlich kann er es nicht lassen, über seine Leidenschaft, den Fußball, nachzudenken und wie es mit seinem FCO weitergeht in dieser Extremsituation. Es folgt Teil 1 einer Interviewreihe mit Trainern des Bremer Verbandsgebiets über die persönlichen und sportlichen Folgen der derzeitigen Pandemie.

Coach Kristian Arambasic an der Seitenlinie. (Foto: Oliver Baumgart)

Coach Kristian Arambasic an der Seitenlinie. (Foto: Oliver Baumgart)

Hallo, Kristian. Wie erlebst du selbst die derzeitige Situation?

„Es ist aktuell wie in einem Film. Man wird immer wieder an den Film ‚Outbreak‘ erinnert. Vielleicht nicht in der Intensität, dass dieses Virus vielleicht alle tötet, aber es geht um die Dinge drumherum, die einfach real geworden sind. Das muss man erstmal alles verstehen. Es ist eine absolut schwierige Situation. Gerade für mich ist sie sogar extrem, da ich meine beiden Hauptaktivitäten, Schule und Sport, nicht ausüben kann. Das bedeutet, dass ich im Moment quasi arbeitslos bin und dagegen aktuell nichts machen kann. Das ist sehr frustrierend.

Dennoch ist es vollkommen richtig, diese Maßnahmen zu ergreifen. Es ist meiner Meinung nach sogar noch viel zu wenig. Der Staat muss noch konsequenter handeln und das ist gerade nicht der Fall. Es wird quasi immer nur Tag für Tag nachjustiert, anstatt einfach direkt alles dicht zu machen, sodass die Ansteckungsgefahr auf ein Minimum reduziert wird. Aus meiner Sicht wäre das die einzig richtige Lösung. Nur so können wir schnellstmöglich wieder ein normales Leben führen. Meine Befürchtung ist leider sehr groß, dass dieser Zustand noch Wochen und Monate andauert, wenn der Staat weiterhin so inkonsequent handelt. Stattdessen wird an ein klares Bewusstsein der Menschen appelliert. Viele folgen diesem Appell mit Sicherheit, aber halt noch lange nicht alle, und das ärgert mich einfach maßlos.“

Wie habt ihr die letzte Woche als Mannschaft erlebt? Es wurde von Tag zu Tag ja auch für den Fußball immer drastischer?

„Es ging damit los, dass bereits zwei Spiele bei uns ausgefallen sind, die normalerweise in Bremen auch nicht ausfallen würden. Zum einen wurde das Spiel gegen den TuS Schwachhausen abgesagt, weil davon ausgegangen werden musste, dass in dem Spiel einige Zuschauer mehr kommen würden. Dafür ist allerdings der dortige Kunstrasenplatz nicht ausgelegt. Auch das Spiel in der Woche gegen den Bremer SV musste aus selbigem Grund ausfallen. Bereits dort entwickelte sich die erste Frustration für mich und meine Jungs. Am vergangenen Donnerstag kam dann die Nachricht, als wir uns gerade auf den BSC Hastedt vorbereitet haben, dass der ganze Spielbetrieb erst einmal eingestellt wird. Ich stand an dem Tag in der Kabine und habe zu meinen Jungs gesagt: ‚Leute, ich habe euch schon vor einiger Zeit gesagt, dass dieses Thema wichtig ist und wir es ernst nehmen müssen.‘ Ich habe einfach schon das Gefühl gehabt, das kann etwas Größeres werden und so kam es dann auch. Meine Jungs waren auch sehr verständnisvoll. Am Ende haben sich Ereignisse überschlagen und man merkte, dass es die ganze Welt gerade erwischt. Man hat gemerkt, dass man sich da nicht mehr rausnehmen kann.

Natürlich gab es auch im Verein ziemlich schnell Gespräche über die aktuelle Lage. Der Verein hat ziemlich schnell und konsequent gehandelt. Der Trainingsbetrieb wurde sofort schon vor dem Verbot durch die Behörden unterbunden. Das war sehr wichtig, denn jedem wurde an diesem Wochenende nochmal klar, dass in den nächsten Wochen erst einmal ein anderes Leben zu erwarten ist.“

War und ist es die richtige Entscheidung, dass nicht nur der Fußball, sondern auch der Mensch generell eingeschränkt wird in nächster Zeit, um das Virus zu bekämpfen oder greift die Politik zu stark in die Freiheit des Menschen ein?

„Es ist absolut die richtige Entscheidung. Wenn ich die Stimme oder die Möglichkeit hätte, würde ich den Politikern dies sofort ans Herz legen. Mein Sohn ist achtzehn und möchte natürlich raus und seine Freunde treffen. Der dreht durch. Ich sitze hier nun, kämpfe und muss immer wieder sagen: ‚Du gehst nirgendwo hin. Du bleibst hier.‘ Gäbe es von oben eine Anweisung, müsste ich diesen Kampf nicht mehr führen. Und diesen Kampf haben wir zurzeit alle. Die einen sagen ‚Übertreibt mal alle nicht‘ und die anderen sagen ‚Leute, wenn ihr so weitermacht, wird das noch Monate so weiter gehen‘. Dieser Kampf muss entschieden werden und das geht nun mal nur von oben. Diese Leute sehen doch, welche Folgen es bereits in Italien nach sich zog. Es wird hier aber so lange gewartet, bis es zu spät ist und das ärgert mich im Moment.

Die Coronafälle in Bremen sind zwar noch überschaubar, aber wenn man weiterhin bei 15 Grad in die Eisdiele oder in die Parks geht, ist es nur noch eine Frage der Zeit, bis es sich auch hier zuzieht. Hier sollte die Polizei auch unterwegs sein und die Leute nach Hause schicken. Auch eine Geldstrafe bei Missachtung dieser Anweisung kann eine Möglichkeit sein.“

Wie ist deine Einschätzung: Glaubst du es wird möglich sein, diese Saison zu beenden?

„Ich denke eher nicht, dass die Saison beendet werden kann. Zurzeit hoffe ich einfach, dass die angesprochenen Sanktionen von oben schnellstmöglich kommen und sich die Lage dadurch schneller beruhigt. Nur dann können wir überhaupt noch die Möglichkeit in Betracht ziehen, die Saison zu Ende zu spielen. Dies kann nur gewährleistet werden, wenn die Entscheidungsträger konsequent handeln.“

Welche Konsequenzen könnte ein Saisonabbruch für deine Mannschaft haben?

„Natürlich ist die Bremen Liga noch eine Amateurliga und wenn wir jetzt auf Platz fünf oder sechs stehen würden, wäre es mir ehrlich gesagt egal. Für uns bedeutet der aktuelle Tabellenplatz allerdings extrem viel. Wenn das andere Menschen nicht nachvollziehen können, dann ist das so. Allerdings könnten wir brutal getroffen werden. Sollten seitens des DFB oder auch des Bremer Fußball-Verbandes Entscheidungen getroffen werden, bei denen es weder Auf- noch Absteiger geben würde, dann wäre das sowohl emotional und als auch motivational ein herber Schlag. Dies würde eine Situation herbeiführen, die ich jetzt noch nicht mal absehen kann. Ich wüsste nicht, wie ich und wie meine Spieler damit umgehen würden. Ich sage ganz ehrlich, da könnte ich mich nicht mehr motivieren. Wir stehen jetzt vor unserem größten sportlichen Erfolg seit langem. Wir haben die Halle gewonnen, wir haben die Titel ‚Spieler und Trainer des Jahres‘ gewonnen, wir stehen im Pokal-Halbfinale, wir stehen vor der Meisterschaft und wir stehen vor den Relegationsspielen für die Regionalliga. Das alles kann uns genommen werden. Klar können wir das alles noch nicht bestimmen, aber es würde uns einfach zehnmal härter treffen als andere Vereine. Meine Jungs haben vollstes Verständnis für diese Situation, aber dennoch sind sie alle gerade sehr frustriert.“

Thema Geisterspiele: Siehst du es als mögliche Lösung, um vielleicht auch gerade in den Profiligen die finanziellen Verluste einzudämmen oder hast du da eine andere Meinung?

„Ich bin ganz klar ‚pro Geisterspiele‘. Wenn dadurch die TV-Gelder, auf die diese Vereine angewiesen sind, ausgezahlt werden, dann sind die Zuschauer völlig egal. Es geht um das Überleben von Wirtschaftsunternehmen und deren Mitarbeiter. Außerdem würden Geisterspiele auch bedeuten, dass weitergespielt wird. Dann gibt es klare Auf- und Absteiger und das wird sich hoffentlich bis in die unteren Ligen durchziehen. Geschieht das nicht, wird es mit Sicherheit einige große Verlierer geben und da werden wir uns dann mit dazuzählen.“

Gibt es einen Plan für deine Mannschaft sich fit zu halten?

Wir haben es so umgesetzt, wie es eigentlich auch nur möglich ist gerade. Ich habe wöchentlich drei Laufeinheiten vorgegeben und die Jungs müssen mir mittels einer App widerspiegeln, dass sie diese auch absolviert haben. Solange sie es dürfen und nicht in Gruppen unterwegs sind, sollen sie sich weiterhin bewegen. Da verlasse ich mich auch auf meine Spieler. Denn ohne Sport geht es auch nicht. Der Kreislauf soll in Gang bleiben und das ist zu Hause, in den eigenen vier Wänden, nicht immer ganz so einfach. Nicht jeder hat im Keller einen eigenen ausgestatteten Fitnessraum, wo man sich mal kurz auf die Hantelbank schwingen kann. Allerdings muss man jetzt auch von Tag zu Tag sehen, in welcher Form bestimmte Workouts für die Jungs noch möglich sind. Eventuell muss ein eigenes Programm für zu Hause entwickelt werden, bei dem die Spieler mit ihrem eigenen Körpergewicht trainieren. Es geht jetzt darum, diese bereits bestehende Fitness zu stabilisieren bis die Entscheidung fällt, dass es entweder weiter geht oder eben nicht. Mehr können wir jetzt auch nicht tun.

Danke, Kristian!

[ddi]

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