VW und DFB beim SPOBIS: So kann Inklusion im organisierten Fußball gelingen

03. Februar 2024

Inklusion, Vielfalt und Fußball – das waren die drei großen Themen, die im Rahmen der SPOBIS Conference in Hamburg diskutiert wurden. Für den größten Sportbusiness-Kongress in Europa organisierten der Deutsche Fußball-Bund (DFB) und sein Mobilitätspartner Volkswagen bereits zum fünften Mal ein speziell auf die 21 DFB-Landesverbände zugeschnittenes Programm. In dem Workshop „Inklusion im Fußball“ referierten unter anderem DFB-Vizepräsident Ralph-Uwe Schaffert, HSV-Präsident Marcell Jansen, der Rekord-Nationalspieler der Blindenfußballnationalmannschaft, Alexander Fangmann, aber auch BFV-CSR-Referent Christoph Schlobohm.

Einen der einprägsamsten Sätze an diesem Tag in Saal 6 des Congress Center Hamburg (CCH) formulierte Inga Grabow: „Jeder kann irgendetwas nicht. Deshalb sind wir alle gleich.“ Gemeinsam mit ihrem Mann Marcel Grabow organisiert und trainiert sie ehrenamtlich die Teams der Ibbenbürener Kickers, einem Inklusionsfußballverein. In diesem vor vier Jahren gegründeten Verein können alle mitspielen – unabhängig von Alter, Geschlecht, Talent oder Herkunft, ob mit oder ohne Handicap und in bunt gemischten Teams. „Bei uns geht es um das Erlebnis, nicht um das Ergebnis“, brachte Grabow vor den anwesenden Vertreterinnen und Vertretern der 21 DFB-Landesverbände die Kernidee von Inklusionsfußball auf den Punkt.

Viele Führungskräfte und Fachleute waren auf der Messe SPOBIS in Hamburg vertreten. (Foto: Friso Gentsch/Volkswagen)

Vom Bremer Fußball-Verband waren neben Geschäftsführer Jens Dortmann auch CSR-Referent Christoph Schlobohm und Event-Inklusionsmanager Christian Draheim mit von der Partie in Hamburg. Schlobohm und Draheim nutzten die Möglichkeit und stellten den Anwesenden zusammen mit dem Sport- und Inklusions-Koordinator des SV Werder Bremen, Daniel Hörmann, die Bunte Liga vor. Die „Bunte Liga“ ist eine inklusive Turnierserie und wird in drei Altersklassen ausgespielt: Minis (bis zwölf Jahre), Maxis und Erwachsene. Hierbei wird nicht das echte Alter, sondern das Entwicklungsalter berücksichtigt. SV Werder Bremen und der Bremer Fußball-Verband richten die Turnierserie gemeinsam aus.

Schlobohm (links), Draheim (Mitte) und Hörmann (rechts) bei der Präsentation der Bunten Liga. (Foto: Friso Gentsch/Volkswagen)

Event-Inklusionsmanager des BFV, Christian Draheim, weiß die Möglichkeit der SPOBIS zu schätzen: „Es ist gut, dass wir die Gelegenheit hatten, die Bunte Liga vorzustellen. Wenn wir nur zwei oder drei Personen ermutigen konnten, sich selber auf den Weg zu machen, dann haben wir schon etwas erreicht. Der Erfahrungsaustausch ist extrem wichtig und dafür gab es ausreichend Gelegenheiten. Eines ist aber auch deutlich geworden: Wenn wir als Gesellschaft wollen, dass Inklusion gelebte Wirklichkeit wird, dann müssen Menschen mit Behinderungen bei derartigen Veranstaltungen stärker eingebunden werden. Außerdem würde ich mir wünschen, dass das Thema Inklusion im Sport noch viel stärker in die Mitte der Gesellschaft getragen wird. Das Ziel muss sein, die Blase zu verlassen und noch viel mehr Menschen zu erreichen, die mit dem Thema Inklusion noch gar nichts zu tun hatten.“

Die Ibbenbürener Kickers zählten an jenem Vormittag im CCH neben dem SV Werder Bremen zu jenen Clubs, die im von Volkswagen und dem Deutschen Fußball-Bund initiierten Workshops „Inklusion im Fußball“ die Bühne nutzen, um einen Einblick in die Arbeit als inklusiver Fußballverein zu geben.

DFB-Vizepräsident Schaffert will Sichtbarkeit für Inklusionsfußball fördern

Wie wichtig genau diese Arbeit ist, damit der Fußball seine integrative Kraft entfalten kann, betonte DFB-Vizepräsident Ralph-Uwe Schaffert in seinem Impulsvortrag über die Chance und den Nutzen von Inklusion im organisierten Fußball: „Es gibt in Deutschland eine Vielzahl von Menschen mit Handicap, sei es eine körperliche oder eine geistige Beeinträchtigung. Für diese Menschen ist es wichtig, dass sie sich auch im sportlichen Bereich betätigen können. Gerade wir als großer Sportfachverband mit über sieben Millionen Mitgliedern müssen hier ein Vorbild sein.“ Entscheidend sei dabei, dass man nicht mit einem „defizitorientierten, sondern mit einem potenzialorientierten Blick“ auf das Thema schaue. Eine Leitfrage könnte sein: „Was können Menschen, die mit einem Handicap in den Verein kommen, sogar besser als Menschen ohne Handicap?“ Auch wenn es Hindernisse im Vereins- und Verbandsalltag aufgrund personeller, infrastruktureller oder finanzieller Situationen gäbe, sollte man versuchen, diese Anfangswiderstände zu überwinden.

Um den Handicap-Fußball in Deutschland zu fördern, zu organisieren und um ihm ein Zuhause im organisierten Sport zu geben, gibt es innerhalb des DFB die Sepp-Herberger-Stiftung, der Schaffert zugleich vorsitzt. Unter ihrem Dach finden sich Rollstuhl-, Gehörlosen- und Blindenfußballerinnen und -fußballer genauso wieder wie Werkstätten- und Amputiertenspielerinnen und -spieler.

Zu den Leuchtturmprojekten gehören neben der 2008 gegründeten, europaweit einzigartigen Blindenfußball-Bundesliga die jährlich stattfindenden Fußball-Inklusionstage, die in diesem Jahr wieder vom 10. bis zum 12. Mai auf dem Roncalliplatz in Köln ausgerichtet werden. Auch die UEFA EURO 2024 soll für den Handicap-Fußball genutzt werden, verriet Schaffert in Hamburg: „Wir planen für alle Host Cities sogenannte ,Inklusionstage light‘, um ein breiteres Publikum zu erreichen.“

HSV-Präsident Jansen: Inklusion kein Marketinginstrument

Rückenwind für mehr Sichtbarkeit im Inklusionsfußball könnte der Profifußball geben. Dem stimmte auch Marcell Jansen zu. In der Talkrunde „Die Rolle von Inklusionsfußball aus Sicht von Profivereinen, Unternehmen und Verbänden“ gab der Präsident des Hamburger SV zu: „Als Bundesligisten, egal ob in der ersten oder der zweiten Liga, könnten wir da sicherlich noch eine Schippe drauflegen und zum Beispiel die Sichtbarkeit im Vorfeld der Profispiele erhöhen.“

Generell würde das Thema Inklusion innerhalb der Clubs immer wichtiger werden. Beispielsweise bietet der HSV seit 2021 Amputierten-Fußball an und hat zuletzt unter anderem einen Spieltag in die Westkurvenmeisterschaft eingebunden, der Meisterschaft der HSV-Fans mit über 60 Teams. Zugleich warnte Jansen aber davor, das Thema Inklusion zu falschen Werbezwecken zu nutzen. Auf die Frage, ob Inklusion auf die Marke eines Proficlubs einzahle, antwortete er klar: „Man muss als Verein die Grundüberzeugung haben, sich für Inklusion einzusetzen. Das ist kein Marketinginstrument, sondern ein Selbstverständnis.“

Ein selbstbestimmtes Leben für Menschen mit Handicap

Den Fußball in seiner ganzen Vielfalt von der Breite bis in die Spitze zu unterstützen, hat sich auch Volkswagen auf die Fahne geschrieben – und untermauert dies unter anderem durch verschiedene Kommunikationskampagnen. So wurde jüngst zum Thema Integration eine Social-Media-Reihe unter dem Hashtag #einFußball über den Fußballverein Türkiyemspor Berlin 1978 produziert. Genau darum gehe es, sagte Sandra Waidelich, Leiterin Marketing & Sales Experience Volkswagen Nutzfahrzeuge, im Rahmen der SPOBIS-Runde: „Es ist völlig egal, ob es Menschen mit oder ohne Beeinträchtigung sind, woher sie kommen, welche sexuelle Orientierung sie haben oder welche religiöse Überzeugung.“ Ihr Unternehmen habe „eine gesellschaftliche Haltung und die wollen wir nach außen tragen.“

Neben der DFB-Partnerschaft sei der Konzern deshalb auch Partner der Sepp-Herberger-Stiftung sowie der Fußball-Inklusionstage. „Wir sind ein Mobilitätsanbieter und wollen unseren Teil dazu beitragen, dass auch Menschen mit Beeinträchtigungen ein selbstbestimmtes Leben führen können“, betonte Waidelich.

In der Mitte der Gesellschaft

Einen anderen, aber sehr wesentlichen Aspekt brachte Alexander Fangmann in die Debatte um inklusiven Fußball ein. Aus Sicht des Rekordspielers der Blindenfußball-Nationalmannschaft dürften sich Vereine und Verbände nicht nur fragen, was man Menschen mit Handicap Gutes tun könne. Vielmehr müsste überlegt werden, was mit einem Verein geschehe, wenn Mitglieder nicht mehr die passenden Angebote fänden und den Verein verließen. Weil beispielsweise der Spaß am Sport durch Leistungsdruck verloren geht. Inklusionssport bietet hier die große Chance, nicht nur Mitglieder zu gewinnen, sondern auch zu halten.

In Hamburg wurde erneut deutlich, dass Inklusion und Vielfalt essenziell sind für nachhaltigen Erfolg im Fußball. Und ebenso in der Wirtschaft.

[vw/bfv]

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