Erste Schiedsrichter-Schulung für Menschen mit geistiger Behinderung

27. April 2022

Endlich konnte der Schiedsrichterlehrgang für Menschen mit geistiger Behinderung in Kooperation zwischen dem Schleswig-Holsteinischer Fußballverband und dem Bremer Fußball-Verband starten. Die Pilotveranstaltung wird durch die SWB, die ÖVB Versicherungen, der DFB-Stiftung Egidius Braun und dem Fonds der DFB-Elite-Schiedsrichter unterstützt.

Insgesamt konnten im ersten Lehrgang sechs junge Erwachsene mit Behinderung an der Ausbildung teilnehmen. Die erfahrenen Lehrgangsleiter Stefan Wiese (SHFV) und Marc Gobien (BFV) wurden ebenso wie die vier Bremer Schiedsrichteranwärter und die zwei Teilnehmer aus Schleswig-Holstein von dem Bremer FIFA-Schiedsrichter Sven Jablonski am Freitag begrüßt und auf den Lehrgang eingeschworen.

FIFA-Schiedsrichter Sven Jablonski war per Videocall zugeschaltet und begrüßte die Teilnehmer am Freitag. (Foto: Christoph Schlobohm)

FIFA-Schiedsrichter Sven Jablonski war per Videocall zugeschaltet und begrüßte die Teilnehmer am Freitag. (Foto: Christoph Schlobohm)

Sven Jablonski stand zwischen einem Spiel in London und dem Bundesliga-Topspiel für die Teilnehmer zur Verfügung und beantwortete Fragen zum Schiedsrichterwesen. Im Anschluss wurde ein Spiel der zweiten Fußball-Bundesliga beobachtet und nachbesprochen.

Tag 2 wurde mit dem nächsten FIFA-Schiedsrichter eingeläutet: Jan Seidel. (Foto: Christoph Schlobohm)

Tag 2 wurde mit dem nächsten FIFA-Schiedsrichter eingeläutet: Jan Seidel. (Foto: Christoph Schlobohm)

Am Samstag hat FIFA-Schiedsrichter-Assistent Jan Seidel vor seinem Einsatz in Gelsenkirchen die Teilnehmer für die „Schiedsrichterei“ begeistert und stand ebenso für Fragen bereit. Nach der Begrüßung ging es an das Regelwerk, welche die Lehrgangsleiter in leichterer Sprache angepasst haben, ohne eine Regel auszulassen. Nachfolgend gab es noch eine Praxiseinheit auf dem Kunstrasenplatz am Weserstadion, ehe die Schiedsrichteranwärter eine Spielbeobachtung mit Aufgabenstellung beim B-Junioren-Bundesliga-Spiel zwischen dem SV Werder Bremen und Energie Cottbus durchführen konnten. Am Abend wurde dann die Regelkunde wieder aufgegriffen und verfeinert.

Natürlich ging es auch auf den Platz für die Schiedsrichteranwärter. (Foto: Christoph Schlobohm)

Natürlich ging es auch auf den Platz für die Schiedsrichteranwärter. (Foto: Christoph Schlobohm)

Auch am letzten Lehrgangstag, am Sonntag, standen die Fußballregeln im Mittelpunkt. Nach einer abschließenden Reflexion des Wochenendes war das erste Modul für die Teilnehmer erfolgreich überstanden.

Das Konzept:

Das neue Ausbildungsformat soll Menschen mit Behinderung neben der Möglichkeit des aktiven Fußballspielens eine weitere Art der Teilhabe im Fußball bieten. Das Curriculum basiert auf einem 3-Stufen-Modell, das Regelwerk soll dabei mit Spaß erlernt und erprobt werden. Ein besonderes Augenmerk liegt dabei auf dem Fairplay- Gedanken:

Das Schiedsrichterwesen eignet sich dafür besonders, weil dadurch Führungsrollen übernommen werden können. Diese verantwortungsvolle Aufgabe fördert das Selbstbewusstsein, steigert die Kommunikationsfähigkeit und ermöglicht eine ganzheitliche Partizipation im Fußball.

Die erste Phase wird in 16 Lerneinheiten (a 45 min), verteilt auf ein Wochenende, stattfinden. Inhaltlich werden dabei die Grundlagen vermittelt.

Die zweite Phase, ebenfalls 16 Lerneinheiten, dient der Vertiefung des bereits erlernten Wissens und ist stark an die allgemeine Schiedsrichterausbildung angelehnt, wird jedoch in vereinfachter Sprache vermittelt.

In der dritten Phase steht der Praxisbezug im Fokus. In einer Art Tandem Funktion sollen die neuen Schiedsrichter zusammen mit den Schiedsrichter im regulären Fußballbereich Erfahrungen sammeln (Turnier der Werkstätten für Menschen mit Behinderung).

Das Ziel ist die regelmäßige Teilhabe im Schleswig-Holsteinischen und Bremer Fußball als Schiedsrichter / Assistent. Durch dieses Projekt versuchen wir Schiedsrichter mit Behinderung langfristig in die Strukturen der Fußballverbände zu integrieren. Zudem soll das Pilotprojekt evaluiert und weiterentwickelt werden, sodass weitere Verbände und Menschen mit Behinderung profitieren und mehr Teilhabe erfahren.

Stefan Wiese (SHFV, links oben), Marc Gobien (BFV, rechts oben) und Organisator Christoph Schlobohm (BFV, unten links) zusammen mit den Teilnehmern. (Foto: BFV)

Stefan Wiese (SHFV, links oben), Marc Gobien (BFV, rechts oben) und Organisator Christoph Schlobohm (BFV, unten links) zusammen mit den Teilnehmern. (Foto: BFV)

Stimmen zum Lehrgang:

Jan Seidel (Fifa-Schiedsrichter-Assistent und Fonds der DFB-Elite-Schiedsrichterinnen und Schiedsrichter): „Wir sind sehr froh, diesen Lehrgang als erstes Projekt unseren Fonds der DFB-Elite-SR unterstützen zu können. Es ist ein perfektes Beispiel für die Ziele und Maßnahmen, die wir künftig anstreben. Wir wünschen allen Teilnehmern einen erfolgreichen Lehrgang mit vielen positiven Eindrücken.“

Nico Kempf (stv. Geschäftsführer DFB-Stiftung Egidius Braun): „Neben dem aktiven Fußballspielen sollen Menschen mit Behinderung auch in anderen Rollen am organisierten Fußball teilhaben können. Wir unterstützen daher gerne die Schiedsrichter-Ausbildung für Menschen mit Handicap, die der Bremer Fußball-Verband gemeinsam mit dem Schleswig-Holsteinischen Fußballverband durchführt. Im Rahmen dieser Ausbildung lernen die Teilnehmenden eine verantwortungsvolle Aufgabe kennen, die viel Freude bereitet, das Selbstbewusstsein fördert und wichtige Kompetenzen vermittelt.“

Stefan Wiese (Ausbilder SHFV): „Eine besondere Art der SR Ausbildung, mit einem großartigen Teilnehmerfeld, die zwar besondere Herausforderungen mit sich bringt, aber unglaublich viel Spaß gemacht hat!“

Marc Gobien (Ausbilder BFV): „Die SR-Handicap Ausbildung ist nicht einfach nur ein Pilotversuch, Menschen, die durch besondere Umstände herausgefordert sind, zu Schiedsrichtern auszubilden, sondern ermöglicht wechselwirkend unglaublich viele tolle Impulse für die allgemeine SR-Ausbildung.“

Wiese/Gobien (Ausbilderteam): „Dass wir diese für uns so bewegenden Erfahrungen machen durften, verdanken wir insbesondere dem außerordentlichem Engagement von Christoph Schlobohm. Seine hervorragende Organisation ermöglichte uns Referenten an diesem Wochenende eine völlig freie Konzentration auf die zielgruppengemäße Vermittlung von Lerninhalten, die eine sehr flexible Lehrgangsgestaltung ermöglichte. Christoph hat einfach an ‚alles‘ gedacht. In einer Art und Weise, die wir beiden erfahrenen Ausbilder in so einer Selbstverständlichkeit nicht kannten.

Sergio Daniel Hoffmann de Ccahuana (Koordinator für soziale Projekte beim SHFV): „Der SHFV freut sich dieses Pilot-Projekt gemeinsam mit dem Bremer FV umzusetzen. Die super Bedingungen beim Bremer FV sorgten für einen erfolgreichen Auftakt und Zufriedenheit bei allen Beteiligten. Ebenfalls hervorzuheben ist die Unterstützung der Mitarbeitenden der Drachensee Stiftung in Kiel sowie der Schleswiger Werkstätten, die die Teilnehmer dabei unterstützten, diese einmalige Ausbildung wahrzunehmen. Zudem sorgten sie, in Person von Herrn Andresen, für eine reibungslose An- und Abreise der Teilnehmer aus Schleswig-Holstein. Wir freuen uns auf die Fortführung dieser erfolgreichen Zusammenarbeit.“

Christoph Schlobohm (Inklusionsbeauftragter BFV): „Wir sind froh, dass wir dem SHFV einen Partner gefunden haben, um diesen Lehrgang zu verwirklichen. Mit Marc Gobien und Stefan Wiese konnten wir zudem sehr kompetente Ausbildungsleiter finden, die es den Teilnehmenden ermöglich haben, Zugang zu den komplexen Fußballregeln zu erhalten. Außerdem finde ich es beeindruckend, dass sich die Fifa-Schiedsrichter Jablonski und Seidel viel Zeit genommen haben und sich den Fragen der Teilnehmenden gestellt haben. Vielen Dank an alle Beteiligten und Partnern, die diese Veranstaltung ermöglicht haben.“

[csc/ddi]

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