Nächste Runde der inklusiven Schiedsrichter-Schulung

27. Oktober 2022

Der Schiedsrichterlehrgang für Menschen mit geistiger Behinderung in Kooperation zwischen dem Schleswig-Holsteinischer Fußballverband (SHFV) und dem Bremer Fußball-Verband (BFV) ging in die zweite Runde. Das Projekt wird durch die SWB, die ÖVB Versicherungen, der DFB-Stiftung Egidius Braun und dem Fonds der DFB-Elite-Schiedsrichter unterstützt.

Sechs junge Erwachsene mit Behinderung, die auch schon den ersten Lehrgang abgeschlossen hatten, haben ihre Schiedsrichterausbildung in Bremen fortgesetzt. Die erfahrenen Lehrgangsleiter Stefan Wiese (SHFV) und Marc Gobien (BFV) lehrten den vier Bremer Schiedsrichteranwärter und den zwei Teilnehmern aus Schleswig-Holstein in vereinfachter Sprache mehr über die Schiedsrichterausbildung.

Die Schiriausbilder Stefan Wiese (2.v.l.) und Marc Gobien (3.v.r.) und ihre Schützlinge auf dem Fußballplatz. (Foto: Christoph Schlobohm)

Die Schiriausbilder Stefan Wiese (2.v.l.) und Marc Gobien (3.v.r.) und ihre Schützlinge auf dem Fußballplatz. (Foto: Christoph Schlobohm)

Am ersten Lehrgangstag (Freitag) gab es für die Teilnehmer eine Wiederholung des bereits gelernten Stoffes aus dem vergangenen Lehrgang. Außerdem bereiteten die Ausbilder Gobien und Wiese die angehenden Schiedsrichter für einen Praxiseinsatz in Findorff vor. Am letzten Lehrgangstag sollen die Schiedsrichteranwärter dann erste Erfahrungen bei einem Turnier in Findorff sammeln.

Auch am Folgetag (Samstag) wurde sich weiter auf diesen Einsatz vorbereitet: Was erwartet die Anwärter vor Ort? Besonderheiten bei dem Aufbau eines Kleinfeldes? Welche Sachen muss ich als Schiedsrichter dabei haben? Nachdem diese Fragen beantwortet wurden, kam es zu einem besonderen Themenpunkt: Die Teilnehmer wurden auf eine Spielbeobachtung vorbereitet und durften im Anschluss bei dem Bundesliga-Spiel Werdern Bremen gegen Mainz 05 unterschiedlichste Aufgaben bei der Beobachtung lösen.

Die Schiedsrichteranwärter machten beim Bundesliga-Spiel zwischen Werdern und Mainz genaue Beobachtungen. (Foto: privat)

Die Schiedsrichteranwärter machten beim Bundesliga-Spiel zwischen Werdern und Mainz genaue Beobachtungen. (Foto: privat)

Am Sonntag war dann endlich der große Praxistag für die angehenden Schiedsrichter. Bei einem Turnier in Findorff kamen die Lehrgangsteilnehmer in einem Tandem-Modell zum ersten Mal zum Einsatz. Für die jungen Schiedsrichteranwärter war das eine wichtige erste Praxiserfahrung.

Auch die SWB unterstützt das inklusive Schiedsrichter-Projekt. (Foto: David Dischinger)

Auch die SWB unterstützt das inklusive Schiedsrichter-Projekt. (Foto: David Dischinger)

Damit ist die Schiedsrichter-Ausbildung für die jungen Erwachsenen vorerst abgeschlossen. Der nächste Schritt ist ein Einsatz in der Bunten Liga-Saison 2023. Im März werden die neuen Schiedsrichter von den ÖVB Versicherungen im Rahmen der Bunten Liga offiziell geehrt.

Praxis ist ganz wichtig für die angehenden Schiedsrichter. (Foto: Christoph Schlobohm)

Praxis ist ganz wichtig für die angehenden Schiedsrichter. (Foto: Christoph Schlobohm)

Das Konzept:

Das neue Ausbildungsformat soll Menschen mit Behinderung neben der Möglichkeit des aktiven Fußballspielens eine weitere Art der Teilhabe im Fußball bieten. Das Curriculum basiert auf einem 3-Stufen-Modell, das Regelwerk soll dabei mit Spaß erlernt und erprobt werden. Ein besonderes Augenmerk liegt dabei auf dem Fairplay- Gedanken:

Das Schiedsrichterwesen eignet sich dafür besonders, weil dadurch Führungsrollen übernommen werden können. Diese verantwortungsvolle Aufgabe fördert das Selbstbewusstsein, steigert die Kommunikationsfähigkeit und ermöglicht eine ganzheitliche Partizipation im Fußball.

Die erste Phase fand in 16 Lerneinheiten (a 45 min), verteilt auf ein Wochenende, statt. Inhaltlich werden dabei die Grundlagen vermittelt.

Die zweite Phase, ebenfalls 16 Lerneinheiten, diente der Vertiefung des bereits erlernten Wissens und war stark an die allgemeine Schiedsrichterausbildung angelehnt, wurde jedoch in vereinfachter Sprache vermittelt.

In der dritten Phase steht der Praxisbezug im Fokus. In einer Art Tandem Funktion sollen die neuen Schiedsrichter zusammen mit den Schiedsrichter im regulären Fußballbereich Erfahrungen sammeln (Turnier der Werkstätten für Menschen mit Behinderung).

Das Ziel ist die regelmäßige Teilhabe im Schleswig-Holsteinischen und Bremer Fußball als Schiedsrichter / Assistent. Durch dieses Projekt versuchen wir Schiedsrichter mit Behinderung langfristig in die Strukturen der Fußballverbände zu integrieren. Zudem soll das Pilotprojekt evaluiert und weiterentwickelt werden, sodass weitere Verbände und Menschen mit Behinderung profitieren und mehr Teilhabe erfahren.

Für den Abschluss des Lehrgangs gab es eine Urkunde für die Teilnehmer. (Foto: Christoph Schlobohm)

Für den Abschluss des Lehrgangs gab es eine Urkunde für die Teilnehmer. (Foto: Christoph Schlobohm)

Stimmen zum Lehrgang:

Marc Gobien (Ausbilder BFV): „Nach dem ersten Gesamtdurchgang der Handicap-Ausbildung halte ich für mich fest, dass inklusiv zu denken und zu handeln gar nicht so schwer ist, wie es vielleicht auf dem ersten Blick scheint. Ganz im Gegenteil: Die gemeinsame Zeit mit den Lehrgangsteilnehmern hat mir erneut deutlich gemacht, wie wichtig es ist, sich an dem (Lern-)Tempo der Zielgruppe zu orientieren, wenn die Qualität und nicht die reine Quantität einer Ausbildung im Vordergrund stehen soll. Natürlich war das Lerntempo der Handicap-Teilnehmer anders einzustufen, als in der Regelausbildung. Doch insbesondere die inhaltliche Flexibilität, mit der Stefan Wiese und ich den Lehrgang gestaltet haben, erlaubte uns eine sehr zielgerichtete, dynamische und vor allem effiziente Ausbildung der Handicap-Anwärter. Wir waren erstaunt, wie viel Regelwissen die Teilnehmer aus dem ersten Wochenende im April mit in das Wochenende im Oktober nahmen. Und wir waren begeistert, mit welcher Qualität und mit welcher Regelsicherheit die Handicap-SR ihre ersten Spiele am Sonntag gepfiffen haben.“

Stefan Wiese (Ausbilder SHFV): „Die Durchführung einer Schiedsrichterausbildung inklusiv war für mich eine völlig neue, sehr prägende und positive Erfahrung. Von der ersten Planung bis zu den beiden Ausbildungswochenenden waren wir als Ausbildungsteam, mit den Organisatoren im Hintergrund, ständig gefordert und sind als Einheit zusammengewachsen. An dieser Stelle möchte ich mich ausdrücklich beim „Bremer-Team“ bedanken. Mit Marc Gobien als erfahrenen Schiedsrichterausbilder hat die Vermittlung der Fußballregeln in einer ganz besonderen Art sehr viel Spaß gemacht und ich konnte viel dazu lernen. Die Gesamtausbildung hätte aber nicht in dieser hervorragenden Art und Weise durchgeführt werden können, wenn nicht Christoph Schlobohm an unserer Seite gewesen wäre. Mit seinem Organisationstalent und seiner sehr einfühlsamen Art – insbesondere bei den Teilnehmern – hat er im Wesentlichen dazu beigetragen, dass diese SR-Handicap-Ausbildung eine Erfolgsgeschichte werden konnte. Und zuletzt gebührt mein Dank und großer Respekt den Handicap-Teilnehmern, die mit einer außergewöhnlichen Motivation und viel Ehrgeiz an der Ausbildung teilgenommen haben. Trotz einer größeren Unterbrechung zwischen den Ausbildungswochenenden war noch so viel Wissen vorhanden, um beim praktischen Einsatz am „Finaltag“ mit den ersten Spielleitungen begeistern zu können. Mich hat dieses Projekt und das damit verbundene Umdenken in der Ausbildungsgestaltung einfach mitgenommen und ich würde mich freuen, wenn die Fußballfamilie weiter inklusiv denkt und weitere Projekte in diesem Format folgen würden.“

Sergio Daniel Hoffmann de Ccahuana (Koordinator für soziale Projekte beim SHFV): „Der Abschluss des Pilotprojektes „Pfeif auf Barrieren“ fand erneut in Bremen statt und war ein voller Erfolg. Aus Schleswig-Holstein bildete erneut Stefan Wiese mit seiner Expertise als SR-Ausbilder ein hervorragendes Team mit seinem Bremer Kollegen Marc Gobien. Im Hintergrund agierte mit Christoph Schlobohm, wodurch ein reibungsloser Ablauf garantiert war. Das Wochenende stand ganz im Fokus der praktischen Anwendung. Nach einer Wiederholung des bereits Erlernten durften die SR-Anwärter am Sonntag ihre Fähigkeiten bei einem eigenes angesetzten Turnier testen. Gab es auf der Fahrt von Kiel nach Bremen noch Sorgen, dass „so ein Einsatz noch zu früh“ komme, zeigten sich alle Teilnehmer letztendlich als abgebrühte SR auf dem Feld. Dies ist ausnahmslos der Vorbereitung, Einstimmung und Begleitung durch das Team Gobien/Wiese zuzurechnen und soll in Zukunft Nachahmer finden. Der Schleswig-Holsteinische Fußball Verband bedankt sich ganz herzlich für diese hervorragende Zusammenarbeit mit dem Bremer Fußballverband und freut sich auf weitere Projekte, die in Zukunft realisiert werden.“

Christoph Schlobohm (Inklusionsbeauftragter BFV): „Marc Gobien und Stefan Wiese haben in besonderer Art und Weise gezeigt, dass sie sich durch ihre Empathie an die Bedürfnisse der Teilnehmer anpassen können. Vielen Dank dafür und vielen Dank an alle beteiligten Parteien, die die Umsetzung ermöglicht haben. Danke auch an Nicole und Hartmut, die uns mit ihren Mannschaften vom TSV Achim und SV Hemelingen beim Probeturnier unterstützt haben.“

[csc/ddi]

Mehr zum Thema: