75 Jahre Bremer FV: Unsere Schiedsrichter

26. August 2021

Der Bremer FV ist 75 Jahre alt und das wird noch bis zum Jahresende auf bremerfv.de gefeiert. An jedem Donnerstag erscheint ein Teil unserer Serie „75 Jahre BFV“ mit einem speziellen Thema. Heute geht es um die Männer und Frauen an der Pfeife: Unsere Schiedsrichter.

Wird vom Ende der 1940er Jahre noch berichtet, dass der Verband wenig Mühe hat, alle Spiele mit Schiedsrichtern zu besetzen, wandelt sich dieses Bild im Laufe der kommenden Jahre zunehmend, denn die Mannschaftszahlen steigen schneller, als die der Schiedsrichter und so schlagen die „Schwarzkittel“ immer wieder Alarm. Werbeaktionen führen zwar zu mehr Schiedsrichtern -allein 1967 werden 100 neue Unparteiische ausgebildet- sie reichen aber dennoch vorn und hinten nicht. Daran kann auch das Schiedsrichter-Soll nichts ändern, dass jedem Verein vorschreibt, dem Verband für jede Mannschaft im Spielbetrieb auch einen Schiedsrichter zu melden. Sogenannte Vereinsansetzungen sind die Folge. Vereine, die zu wenige Schiedsrichter melden, werden verpflichtet, unterklassige Spiele der Herren und Jugend mit einem Schiedsrichter zu besetzen. Dies gelingt natürlich in den wenigsten Fällen.

"Sei fair zum 23. Mann" - In den 80er- und 90er-Jahren in fast jedem Verbandsmagazin abgedruckt, hat das Motto bis heute nicht an Bedeutung verloren. (Foto: Privat)

„Sei fair zum 23. Mann“ – In den 80er- und 90er-Jahren in fast jedem Verbandsmagazin abgedruckt, hat das Motto bis heute nicht an Bedeutung verloren. (Foto: Privat)

Überregional sind Bremer Unparteiische sogar schon vor der Gründung des BFV gefragt. So werden für Fritz Janssen und einen Schiedsrichter Namens Rupprecht, von dem nicht einmal der Vorname bekannt ist, schon 1943 beziehungsweise 1944 Einsätze in der Endrunde um die Deutsche Meisterschaft gezählt.

Als 1963 die Bundesliga an den Start geht, sind auch Unparteiische aus Bremen dabei. Rolf Seekamp kommt dabei direkt am ersten Spieltag in der Partie zwischen Hertha BSC Berlin und dem 1. FC Nürnberg zum Einsatz. Zwischen 1953 und 1963 leitet er zuvor 115 Spiele in der Oberliga Nord und kommt insgesamt 26 Mal in der Bundesliga und vier Mal im DFB-Pokal zum Einsatz. 1962 darf er sogar das Finale um den DFB-Pokal zwischen dem 1. FC Nürnberg und Fortuna Düsseldorf in Hannover leiten, eine Ehre, die erst 50 Jahre später wieder einem Bremer Schiedsrichter zuteil wird. Zweitligaspiele leitet Seekamp keine, was aber ausschließlich daran liegt, dass Seekamp nur bis 1968 auf DFB-Ebene tätig ist, die 2. Bundesliga aber erst 1974 eingeführt wird. Rolf Seekamp verstirbt 2015 im Alter von 93 Jahren.

Bundesligasaison 1965/1966: Eintracht Braunschweig (dunkles Trikot) gegen den Hamburger SV mit Schiedsrichter Rolf Seekamp (r.). (Foto: imago/Rust)

Bundesligasaison 1965/1966: Eintracht Braunschweig (dunkles Trikot) gegen den Hamburger SV mit Schiedsrichter Rolf Seekamp (r.). (Foto: imago/Rust)

Am dritten Spieltag greift mit Herbert Lutz der zweite Bremer Unparteiische in die Premierensaison der Liga ein. Er leitet die Partie zwischen 1860 München und dem 1. FC Köln und bis zu seinem Karriereende 1977 noch 77 weitere Bundesligaspiele. Am 11. September 1965 stellt Lutz einen Bundesliga-Rekord auf, der bis heute Bestand hat. In der Partie zwischen Aufsteiger Borussia Mönchengladbach und Pokalsieger Borussia Dortmund pfeift Lutz sage und schreibe fünf Elfmeter. Vier von ihnen werden verwandelt und der „Kicker“ schreibt damals zu Lutz‘ Genugtuung: „Es ist bezeichnend für das Spiel, dass diese fünf Strafstöße allesamt berechtigt waren.“ Herbert Lutz ist nach seiner aktiven Laufbahn weiterhin im Schiedsrichterwesen als Schiedsrichterbeobachter in der Bundesliga aktiv und engagiert sich im BFV als Verbandsschiedsrichterobmann und Verbandslehrwart für die Schiedsrichter des kleinsten DFB-Landesverbandes. Der BFV ernennt ihn 2007 zu seinem Ehrenmitglied. Zehn Jahre später stirbt Herbert Lutz im Alter von 86 Jahren.

Schiedsrichter Herbert Lutz vor einem Bundesligaspiel zwischen seinen Linienrichtern. Rechts im Bild: Wolfgang Overath, Kapitän des 1. FC Köln. (Foto: Leo Bölinger)

Schiedsrichter Herbert Lutz vor einem Bundesligaspiel zwischen seinen Linienrichtern. Rechts im Bild: Wolfgang Overath, Kapitän des 1. FC Köln. (Foto: Leo Bölinger)

Der Mann, der 50 Jahre nach Rolf Seekamp wieder ein Finale um den DFB-Pokal leiten darf, ist Peter Gagelmann. Nach etlichen Jahren in den Spielklassen des BFV ist 1994 der Zufall daran beteiligt, dass Gagelmann in den DFB-Bereich aufsteigt. Ein eigentlich für den Aufstieg vorgesehener Kollege beendet von heute auf morgen der Liebe wegen seine Karriere, und so erhält Gagelmann eines Abends einen Anruf, ob er nicht am nächsten Tag an einem Lehrgang teilnehmen könne, um in die damalige Oberliga Nord aufzusteigen. Gagelmann, obwohl selbst gerade auf Reisen, kann. Heute ist er der Rekordhalter unter den Bremer Bundesligaschiedsrichtern. Zwischen 2000 und 2015 pfeift er 214 Bundesligaspiele, leitet 137 Partien in Liga zwei und 40 Spiele im DFB-Pokal, darunter 2012 das Finale zwischen Borussia Dortmund und dem FC Bayern München. 2014 steht die gleiche Begegnung als Finale des DFL-Supercups unter seiner Leitung. Schluss ist am Ende der Saison 2014/2015 mit der Bundesligapartie zwischen dem 1. FC Köln und dem VfL Wolfsburg. Gagelmann erreicht die Altersgrenze und muss sich von der Bundesligabühne zurückziehen. Nach der aktiven Laufbahn arbeitet er unter anderem mit Schiedsrichtergrößen wie Dr. Markus Merk als Regelexperte für den Pay-TV Sender Sky. Heute ist Gagelmann Vorstandsvorsitzender der Bremer Sportstiftung.

Abpfiff nach 15 Jahren Bundesliga: Peter Gagelmann beendet sein letztes Bundesligaspiel. (Foto: Christof Koepsel/Bongarts/Getty Images)

Abpfiff nach 15 Jahren Bundesliga: Peter Gagelmann beendet sein letztes Bundesligaspiel. (Foto: Christof Koepsel/Bongarts/Getty Images)

Mit Hans-Joachim Osmers ist Bremen bereits vor Peter Gagelmann im Club der über 100 gepfiffenen Bundesligaspiele vertreten. Er leitet zwischen 1982 und 1995 insgesamt 115 Begegnungen im Oberhaus des deutschen Fußballs. Eine Partie schafft es gar als Aufmacher in die Tagesschau. Am 23. April 1994 gibt Osmers in der Partie zwischen dem FC Bayern München und dem 1. FC Nürnberg auf Zeichen seines Linienrichters Jörg Jablonski -ebenfalls ein Bremer- das berühmteste Phantomtor der Bundesligageschichte. Der DFB ordnet ein Wiederholungsspiel an und Osmers ist für viele Wochen in aller Munde. Er pfeift jedoch noch bis 1995 Bundesligaspiele und scheidet dann nach Erreichen der Altersgrenze aus. Nach seiner aktiven Karriere engagiert sich Osmers noch einige Jahre als Beobachter und Lehrwart im Schiedsrichterwesen, bevor er sich schließlich ganz aus der Schiedsrichterei zurückzieht.

Schiedsrichter Hans-Joachim Osmers (l.) zeigt Jürgen Klinsmann vom VfB Stuttgart in der Saison 1985/1986 die gelbe Karte. (Foto: imago/Pressefoto Baumann)

Schiedsrichter Hans-Joachim Osmers (l.) zeigt Jürgen Klinsmann vom VfB Stuttgart in der Saison 1985/1986 die gelbe Karte. (Foto: imago/Pressefoto Baumann)

Auch aktuell stellt der BFV einen Bundesliga-Schiedsrichter. Sven Jablonski, Sohn des einstigen Linienrichters von Hans-Joachim Osmers, leitet seit 2017 Spiele im Oberhaus. Er kommt bisher auf 47 Spiele. 47 weitere leitet Jablonski in der zweiten Liga, in die der gelernte Bankkaufmann 2014 aufsteigt. 15 Mal kommt er im DFB-Pokal zum Einsatz (Stand: 18. August 2021).

Neben diesen fünf sehr bekannten Bundesligaschiedsrichtern aus Bremen gibt es durchaus auch weniger bekannte Namen, die in den höchsten Deutschen Spielklassen zum Einsatz kamen. Der wohl bekannteste von ihnen ist Peter Mölm. Der Bremerhavener kommt zwischen 1990 und 1993 auf elf Bundesliga- und zwischen 1978 und 1993 auf 68 Zweitligaspiele. Zudem kommt er 11 Mal im DFB-Pokal zum Einsatz. Unter der Leitung von Jörg Glasnek stehen in der Saison 1977/1978 sieben Bundesligaspiele, von 1974 bis 1981 pfiff der Leuchtenburger zudem 42 Partien in der zweiten Liga und fünf Begegnungen im DFB-Pokal. Auf drei Bundesligaspiele und einen Einsatz im DFB-Pokal kommt Karl-Heinz Mailand zwischen 1966 und 1968. Nach seiner aktiven Laufbahn leitet er noch Jahrzehnte lang das Schiedsrichtertraining im Kreis Bremen-Stadt. Auf einen einzigen Einsatz in der Bundesliga kommt Manfred Hoppe aus Bremerhaven in der Saison 1972/1973.

Sven Jablonski leitet seit 2017 Spiele in der Bundesliga. (Foto: Oliver Baumgart)

Sven Jablonski leitet seit 2017 Spiele in der Bundesliga. (Foto: Oliver Baumgart)

Natürlich gibt es auch zahlreiche Schiedsrichterinnen im BFV. Die wohl bekannteste ihrer Zunft ist Christine Frai. Die gelernte Exportkauffrau macht 1985 ihre Schiedsrichterlizenz, kommt von 1991 bis 2006 in der Frauen-Bundesliga zum Einsatz und pfeift anschließend noch ein weiteres Jahr auf norddeutscher Ebene weiter, bevor sie ihre aktive Karriere beendet. Im Männerbereich ist sie neben Gertrud Rebus 1995 eine der ersten beiden Frauen, die in der Regionalliga, der damaligen dritten Liga, zum Einsatz kommen. 1993 leitet sie das DFB-Pokalfinale der Frauen zwischen dem TSV Siegen und Grün-Weiß Brauweiler. Von 1995 an gehörte sie auch der FIFA-Liste an und darf also internationale Partien leiten. 1996 wird sie Bremer „Sportlerin des Jahres“. Nach Einsätzen bei der Frauen-WM 1995 als Linienrichterin und der Frauen-EM 1997 als Schiedsrichterin folgt das Karriere-Highlight 2004. Frai bekommt als erste Deutsche eine Nominierung für die Olympischen Spiele in Athen. Im gleichen Jahre zeichnet sie der DFB als erste Schiedsrichterin des Jahres aus. Auch heute ist Frai dem Schiedsrichterwesen noch treu. Als Schiedsrichterbeobachterin gibt sie jungen Schiedsrichterinnen und Schiedsrichtern ihr umfangreiches Fachwissen weiter.

Christine Frai ist aber bei weitem nicht die einzige Schiedsrichterin, die Ende der 1980er-, Anfang der 1990er-Jahre in der Verbandsliga, der heutigen Bremen-Liga zum Einsatz kommen. Mit Ulrike Geithe, damals unter ihrem Mädchennamen Jungbluth aktiv und Christel Zdunek, die später auch -dann allerdings aufgrund eines Umzugs schon für den Badischen Fußball-Verband im Einsatz- Spiele in der Frauen-Bundesliga leitet.

Christine Frai durfte bei den Olympischen Spielen pfeifen. (Foto: Alexander Heimann/Bongarts/Getty Images)

Christine Frai durfte bei den Olympischen Spielen pfeifen. (Foto: Alexander Heimann/Bongarts/Getty Images)

Einen männlichen FIFA-Schiedsrichter aus Bremen sucht man in den Listen des Weltverbandes indes bislang vergeblich. Der DFB hat Peter Gagelmann zwar 2007 für die FIFA-Liste vorgesehen, der Weltverband ändert jedoch kurzfristig die Regeln und setzt das Höchst-Einstiegsalter von 40 auf 38 herab. Gagelmann ist damit drei Monate zu alt und kann kein FIFA-Schiedsrichter mehr werden. International ist er dennoch lange tätig. So begleitet Gagelmann nicht nur die deutschen FIFA-Schiedsrichter zunächst als Linienrichter und später als Vierter Offizieller zu deren Einsätzen in der Champions- oder Europa-League, er selbst leitet 2003 und 2007 insgesamt zehn Spiele in der südkoreanischen K-League, darunter das Finale im Jahre 2007. Auch ein Meisterschaftsspiel in Saudi-Arabien steht unter seiner Leitung.

Für das Schiedsrichterwesen ist seit jeher der Verbandsschiedsrichterausschuss zuständig. Franz Guba führt diesen von 1946 bis 1950, gefolgt von Benno Schierenbeck, der zwischen 1950 und 1979 oberster Schiri im BFV war. Lothar Koch war von 1979 bis 1990 der Obmann der Bremer Unparteiischen und übergab das Zepter dann an Herbert Lutz, der 2004 vom heutigen Schiedsrichterobmann Torsten Rischbode abgelöst wird.

Seit 2004 ist Torsten Rischbode der Vorsitzende des BFV-Schiedsrichterausschusses. (Foto: Oliver Baumgart)

Seit 2004 ist Torsten Rischbode der Vorsitzende des BFV-Schiedsrichterausschusses. (Foto: Oliver Baumgart)

Für die stets aktuelle Regelkenntnis ist der Verbandslehrwart verantwortlich. Walther Rau hat dieses Amt von 1946 bis 1957 inne. Ihm folgt Edgar Kästner, der sich zwischen 1958 und 1962 und die Aus- und Fortbildung der Unparteiischen kümmert. Nach Hermann Bremermann (1963 bis 1970) gab Herbert Lutz von 1970 bis 1990 sein Wissen an die Referees weiter, ehe mit Horst Jacobi Lutz‘ ehemaliger Linienrichter übernimmt. 1998 löst Hans-Joachim Osmers Jacobi ab und seit 2004 ist Jens Franke für die Aus- und Fortbildung sowie die Talentförderung zuständig.

Im BFV sind derzeit 379 Unparteiische im Einsatz. Von ihnen sind 365 männlich und 14 weiblich. Mit Ausnahme der Flyeralarm Frauen-Bundesliga ist der BFV in jeder überregionalen Spielklasse mit mindestens einem Schiedsrichter oder Schiedsrichter-Assistenten vertreten.

Nächsten Donnerstag bei „75 Jahre Bremer FV“: Stützpunkte und Landesauswahlen

[bfv]

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